Feierliche Einweihung der Gedächtniskapelle am 17. Juni 2012

Bischof Reinelt und Pfarrer Hartmann bei der Einweihung
Bischof Reinelt und Pfarrer Hartmann bei der Einweihung

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde am 17. Juni 2012 die Gedächtniskapelle in Rathmannsdorf/ Sächsische Schweiz durch den Altbischof Joachim Reinelt und den Rosenthaler Pfarrer Günter Hartmann, der für den kürzlich verstorbenen Bad Schandauer Ortspfarrer Jubelt als Vertreter der Evangelischen Kirche eingesprungen war, feierlich eingeweiht.

 

Bei strahlendem Sonnenschein waren viele Gäste der Einladung des Vereins „Freundeskreis der Gedächtniskapelle Rathmannsdorf“ zur Einweihung der Kapelle gefolgt. Mit einem ökumenischen Wortgottesdienst, der durch den Posaunenchor Rosenthal/ Königstein (Ltg.: Ralf Leichsenring) feierlich umrahmt wurde, konnte die Weihe durch die beiden Geistlichen vollzogen werden. In den kurzen Predigten stellte Pfarrer Hartmann die Notwendigkeit des „Aufmerksam machens“ und Bischof Reinelt das Thema „Gedenken“ in der Vordergrund und spannten so den Bogen zu der mit dieser Kapelle verbundenen Intention.

 

Hl. Bonifatius - der Wieder-gut-Macher
Hl. Bonifatius - der Wieder-gut-Macher

Vereinsvorsitzender Hans-Ulrich Wachter wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass die Kapelle dem Hl. Bonifatius gewidmet sei. Eine Plastik des Heiligen wurde im Altarraum der Kapelle aufgestellt. Diese wurde von dem Bad Staffelsteiner Künstler Werner Simeoni gestaltet. Dabei stehe der Name des Heiligen quasi als Programm für diesen Ort des Gedenkens und der Erinnerung. Als „Bone“-Facere“, also den „Gut-macher“ oder „Wiedergutmacher“ solle er die Besucher und Gäste zu einer geistigen Wiedergutmachung durch ein ehrendes Gedenken und Erinnern an die getöteten und geschundenen Menschen der Weltkriege und der Konzentrationslager mahnen; ein solches gab es in der Nähe von Rathmannsdorf als Außenlagen des KZ Flossenbürg.

Außerdem soll dies ein Ort der Stille und Einkehr sein, an dem Wanderer, Gäste und die Bürger der Sächsischen Schweiz kurz (oder länger) verweilen und für einige Minuten der Hektik des Alltags entfliehen können.

Übergabe des Geschenks aus der Partnergemeinde Hergensweiler durch Herrn Bürgermeister Georg Betz
Übergabe des Geschenks aus der Partnergemeinde Hergensweiler durch Herrn Bürgermeister Georg Betz

Nach Grußworten der politischen Vertreter und der Übergabe einer Kerze mit Bild der Gedächtniskapelle und Metallstehle durch den Bürgermeister der Partnergemeinde Hergensweiler /Bodensee, Herrn Georg Betz lud der Verein alle Gäste zu einem Umtrunk und zur Besichtigung der Kapelle ein.

 

 Die Kapelle ist in der Hohnsteiner Straße 14 (gegenüber des Bahnhofs) in 01814 Rathmannsdorf zu finden und täglich von 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet.

 

Ansprache von Herrn Pfarrer Günter Hartmann anl. der Einweihung der Gedächtniskapelle am 17. Juni 2012 unter dem Stichwort: „Aufmerksam machen“

 

 

 

Sehr geehrter Herr Bischof Reinelt, Herr Bürgermeister Hähnel, Mitglieder des Förderkreises, Bürger von Rathmannsdorf und Bad Schandau, werte Gäste, Damen und Herren,

 

Auch wenn es in unserer Gegend nicht üblich ist, kleine Kapellen oder Wegekreuze zu errichten, möchte doch diese Kapelle, die heute als Ökumenische Gedächtniskapelle geweiht werden soll, in besonderer Weise Aufmerksamkeit bei Wanderern, Touristen, Pilgern und Vorübereilenden wecken. Ebenso mögen die Einwohner dieses Ortes diese Kapelle akzeptieren und annehmen.

 

Mit Liebe gestaltet und für die Zukunft gepflegt, wird sie ein Zeichen gelebten Glaubens sein. Menschen von fern und nah sollen spüren, dass es hier Menschen gibt, denen der Glaube an Jesus Christus, unseren Herrn, Heiland und Erlöser wichtig ist.

 

Es ist mit Sicherheit ein Vorurteil, wenn behauptet wird, dass hier ein Menschenschlag lebt, der so spröde und hart wie Sandstein ist und nur schwer Zugang zum christlichen Glauben findet.

 

Natürlich leben katholische und evangelische Christen hier mehr als in anderen Gebieten Deutschlands in der Diaspora. Einer offiziellen Statistik zufolge glauben Ostdeutsche am wenigsten an Gott. (SZ vom 21./22.04).

 

Ganze 13 % sollen es noch sein. Unsere Nachbarn hinter der Grenze in Tschechien folgen unmittelbar danach. Auch nach 22 Jahren der Wiedervereinigung leiden wir unter den Folgen zweier Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts. Es bedarf der Kraft Gottes und eines langen Atems unter uns, diese Folgen zu überwinden. Jedes öffentliche Zeichen des Glaubens, auch diese Gedächtniskapelle möge dazu dienen.

 

Wir leben hier in einer einmalig schönen Landschaft. Oft werden wir darum beneidet, in dieser Natur, umgeben von Bergen, in der wunderbaren Schöpfung Gottes, wohnen zu können. Sicher werden hier Menschen Rast machen, die Stille suchen, im Gebet mit Gott Kontakt aufnehmen und gestärkt ihren Weg weiterziehen.

 

Vielleicht werden auch einige nachdenklicher, wenn sie davon erfahren, was gerade hier in den letzten Zeiten des Krieges und danach geschehen ist und wozu Menschen fähig sind, wenn sie außer sich keine andere Autorität kennen.

 

Damit so etwas nie wieder geschieht, ist jedes Zeichen des Glaubens ein Zeichen der Hoffnung.

 

Unsere Aufgabe ist es, solche Zeichen zu setzen, um damit aufmerksam zu machen.

 

Dazu wollen wir diese Kapelle weihen und in den Dienst des lebendigen Gottes stellen.

 

Ansprache von Herrn Bischof(em.) Joachim Reinelt (Dresden) anlässlich der Einweihung der Gedächtniskapelle Rathmannsdorf am 17. Juni 2012

 

 

 

Lieber Herr Pfarrer Hartmann,

liebe Schwestern und Brüder,

liebe Gemeinde,

 

es ist auch für mich ein großer Trost, was Herr Pfarrer Hartmann gesagt hat. Für mich war es auch eine Überraschung, als mir jemand sagte: Hier in Rathmannsdorf wird eine Kapelle am Weg gebaut.

 

Also ist es Unsinn, wenn dort drüben (gerichtet an die Demonstranten) auf den Plakaten steht: „Von oben herab bestimmt.“ Von unten herauf kam die Idee! Und das ist eine gute Sache.

 

Und dass ich mich heute dazu bereit erklärt habe, heute hierher zu kommen, um diese Kapelle mit zu weihen – wir machen das gemeinsam – hat einen ganz persönlichen Hintergrund.

 

Ich habe mich deswegen auch dazu entschieden, weil ich 1945, im Juni, die Grausamkeiten erlebt habe, als 8-jähriges Kind, die die russischen Soldaten an deutschen Frauen auf dem Bahnhof von Bad Schandau begangen haben. Das werde ich nie vergessen können. Und ich habe nie danach eine Therapie bekommen und die armen Frauen, die es damals hier getroffen hat, an dieser Stelle, werden diesen Ort nie wieder vergessen. Und als wir von offenen Güterwagen hier abgestiegen sind, um in unsere Heimat zurückzukehren, sind wir auf dieser Eisenbahnstrecke ein Stückchen gekommen, da war dann irgendwo da oben die nächste Brücke gesprengt und ich musste mit meinen 8 Jahren, und einem schweren Rucksack auf den Schultern 30 Kilometer in glühender Sonne laufen.

Viel schlimmer waren aber die dran, die das im Winter machen mussten.

 

Aber das sind Dinge am Ende eines sinnlosen, dummen Krieges, weil die Leute sich untereinander nicht vertragen haben und die Völker zu Feinden geworden sind.

 

Und deshalb ist es an allen deutschen Grenzen – von der französischen Grenze, bis zur tschechischen Grenze und bis zur polnischen Grenze - überall dafür gesorgt worden, dass wir diese schrecklichen Zeiten nicht vergessen, damit endlich Friede sei!

Und ich muss sagen, dass wir gerade heute zwischen den Völkern wieder ein Fußballspiel (Anm: Fußball-EM-Spiel Deutschland – Dänemark fand an diesem Tag statt) erleben, dass ist auch ein so wunderbares Zeichen wie so eine Kapelle, die uns daran erinnert: Wir dürfen nicht vergessen, wie dumm Menschen sind, wenn sie dem anderen keinen Platz lassen.

Denken sie an „Don Camillo und Pepone“ – schauen Sie sich mal den Film an. Das hilft.

(Applaus der Zuhörer)

 

Und das an Sie dort drüben:

Wir sind nicht gegen Sie. Das ist auch ein Stück Demokratie, dass man sagt: „Wir wollen diese Kapelle nicht.“

Aber die hier drüben sitzen, sagen: „Aber wir wollten sie.“

Und so lasst gemeinsam beides zu.

Wir lassen eure Transparente zu und ihr lasst die Kapelle zu. Und dann stimmt’s! (Applaus)

 

Laßt es mich mit einfachen Worten sagen:

Der Frieden beginnt im Kleinen.

Der Frieden beginnt in Rathmannsdorf.

Und der Frieden geht weiter zwischen den Völkern und das ist der Sinn eines solchen Denkmals mit einem Kreuz. ER, der das ganze Christentum gebracht hat, hat auch sehr viel Widerstand, ja auch den Tod erlebt.

Das waren schlimme Zeiten.

Wir sind bereit in diesem Zeichen auch das Kontra zu akzeptieren. Damit Frieden wird unter uns und zwischen den Völkern.

 

Eine wunderbare Idee. Ich gratuliere Ihnen hier allen. Ich weiß gar nicht genau, wer so die ersten Ideen dazu hatte. Wunderbar! Wir müssen zusammenhalten!

 

Und ich sage Ihnen ganz klar: Unsere tschechischen Nachbarn, die auch zu einem großen Teil heute nicht mehr - in Folge der kommunistischen Zeiten, dass muss man ja auch mal ganz klar sagen – zur Kirche gehören, die wollen die Friedenszeichen bei uns und bei Ihnen auch tief im Herzen verstanden wissen. Und deswegen: Weiter so. Haltet zusammen! Bleibt Brüder und Schwestern und auch keine Gegner und Feinde zu denen (Hinweis auf Demonstranten). Die gehören zu uns! Wir gehören zusammen!

 

Ich verstehe das. Wenn einer nie den Kern unseres Glaubens kennengelernt hat, der versteht nicht, wieso hier ein Kreuz in der Kapelle ist.

Also, Barmherzigkeit, Großzügigkeit, das ist für unsere Gesellschaft normal. Und so gehen wir weiter.

 

Aber ich möchte noch einen anderen Gedanken sagen: Wissen sie, was gut ist und was jedem gut tut, ist das:

 

„Wo 2 oder 3 in meinem Namen zusammen sind, wie das jetzt gerade passiert, da bin ich mitten unter ihnen.“

 

Das ist unsere Stärke. Nicht wir mit unseren Vorhaben und Plänen, mit unseren Zeichen. Wir sind nur ein Schritt. Das Entscheidende schenkt Er uns. So sind wir durch unser Beten und Singen in dieser Stunde reich beschenkt.

 

Mögen viele, die hier vorbei gehen, die Entscheidung für sich treffen:

 

„Ich will Frieden!“

 

Amen.